Alte Kartoffelsorten sind in Deutschland teilweise schon in Vergessenheit geraten, doch zeichnen sie sich durch einen guten Geschmack, Robustheit und einen hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen aus. Mitunter haben die alten Sorten ungewöhnliche Farben. Die Knollen einiger Sorten sind eher klein, weshalb sich ein landwirtschaftlicher Anbau nicht mehr lohnt.
Gesetze zu Kartoffeln: nicht jede Sorte als Saatgut erhältlich
Mehr als 4.000 Kartoffelsorten sind in Deutschland bekannt, doch ist nicht jede dieser Sorten als Lebensmittel oder Saatgut verfügbar. In Deutschland legt die Saatkartoffelverordnung fest, welche Sorten gehandelt werden können. Nur 200 Sorten sind erlaubt, von denen nur ungefähr 150 Sorten essbar sind. Die übrigen etwa 50 Sorten werden für die Stärkeproduktion verwendet. In jedem Jahr werden neue Kartoffelsorten zugelassen, die aber nicht alle im Handel angeboten werden. Unter den Bundessorten gibt es nur knapp zehn alte Kartoffelsorten, die vor 1976 registriert waren. Viele Sorten sind erst neu und erschienen erst nach 2000 oder sogar 2010.
Vorzüge alter Kartoffelsorten: gesund, nährstoffreich, robust und schmackhaft
Alte Kartoffelsorten haben teilweise nur kleine Knollen, die bizarr geformt sein können. Das erschwert die Verarbeitung, was sie uninteressant für den landwirtschaftlichen Anbau macht. Können Sie solche Knollen erwerben, lohnt es sich, diese Sorten im Garten anzubauen. Auf Wochenmärkten und bei Biobauern können Sie solche Sorten als Speisekartoffeln kaufen, doch spricht nichts dagegen, die Knollen auch im Garten anzubauen. In den alten Sorten sind Vitamin C, B-Vitamine und das entwässernde Kalium oft in höherer Konzentration als in den neueren Sorten enthalten. Häufig stammen die alten Sorten aus bestimmten Regionen und haben sich im Laufe der Zeit an ihre Territorien angepasst. Sie sind daher robust und benötigen weniger Pflanzenschutzmittel und Dünger.
Da diese Sorten nicht auf hohe Erträge gezüchtet wurden, wachsen sie langsamer und bilden mehr wertvolle Inhaltsstoffe aus. Aufgrund ihres höheren Gehalts an sekundären Pflanzenstoffen sind sie widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und Fressfeinden. Für den Menschen sind diese sekundären Pflanzenstoffe nützlich, da sie antioxidativ wirken, freie Radikale abwehren und entzündungshemmend sind. Rote und blaue Kartoffeln enthalten zusätzlich Anthocyane, die den Cholesterinspiegel senken können.
Alte Kartoffelsorten: Eigenschaften und Verwendung
Verschiedene alte Kartoffelsorten haben sich bewährt und zeichnen sich durch hervorragende Eigenschaften aus. Einige wurden schon um 1900 gezüchtet, doch gibt es auch einige neuere Sorten aus den 1970er Jahren. Einige dieser Sorten sind echte Raritäten, da sie nur noch selten angebaut werden.
Bamberger Hörnchen: eine der ältesten deutschen Sorten
Bamberger Hörnchen wurden 1870 erstmals gezüchtet und gehören zu den ältesten deutschen Sorten. Sie haben ihren Ursprung im fränkischen Bamberg. Die mittelfrühe Sorte ist im Anbau aufwendig, bringt kleine Pflanzen und hat nur geringe Erträge. Sie blüht weiß und ist mehlig bis festkochend. Die kleinen, hörnchenartigen, fingerförmig gekrümmten Kartoffeln mit der ockergelben Schale werden per Hand geerntet. Sie haben eine feine Haut und hellgelbes, festes Fruchtfleisch. Der Geschmack der Knollen ist kräftig nussig. Die Knollen eignen sich hervorragend für Salate.
Blauer Schwede: Kartoffel mit blauem Fleisch
Der Blaue Schwede ist eigentlich eine alte südamerikanische Sorte, die um 1900 in Schweden weitergezüchtet wurde. Die Sorte ist mittelfrüh, vorwiegend festkochend und pflegeleicht. Sie bringt blauviolette Blüten hervor. Die Schale ist dunkelviolett bis schwarz und hat flache Augen. Die Sorte ist robust und hat runde bis ovale Knollen. Das Fleisch der Knollen ist nach dem Kochen blau und hat einen leicht süßlichen Geschmack. Die Knollen eignen sich als Pellkartoffeln, Salzkartoffeln und für Salate. Ihre blaue Farbe erhalten die Kartoffeln durch die Anthocyane, die als Radikalenfänger gelten und entzündungshemmend sind.
Highland Burgundy Red: alte Sorte aus Schottland
Highland Burgundy Red ist eine rotfleischige Sorte, die 1902 erstmals gezüchtet wurde und ihren Ursprung in Schottland hat. Die weißblühende, mittelspäte Sorte ist mehligkochend und bei Feinschmeckern beliebt. Sie hat eine weinrote, glatte Schale und rotes Fruchtfleisch mit heller Rindenschicht. Die Knollen sind rundlich bis länglich oval und haben einen aromatischen Geschmack. Sie eignen sich für Salate und als Salzkartoffeln. Die Sorte ist etwas aufwendig im Anbau.
Jubel: alte Sorte, die nur noch selten angebaut wird
Jubel hat ihren Ursprung in Zwickau, wo sie 1908 von Wilhelm Richter gezüchtet wurde. Sie ist eine Kreuzung von Victoria Auguste und Richter 78/92. Die Sorte wird heute nur noch selten angebaut, ist mittelspät bis spät und vorwiegend festkochend. Die Sorte blüht rosa und hat länglich ovale Knollen mit ockerfarbener, rauer Haut und flachen Augen. Die Knollen mit weißem bis hellgelbem Fleisch schmecken sehr mild, aber würzig. Sie eignen sich für Pellkartoffeln, Bratkartoffeln und Salzkartoffeln.
La Ratte: alte französische Sorte
La Ratte wird in ihrer Form teilweise mit dem Bamberger Hörnchen verwechselt und ist eine alte französische Sorte, die 1872 erstmals in der Bretagne gezüchtet wurde. Die Sorte war lange Zeit in Deutschland nicht verfügbar, doch wird sie seit 1990 wieder in geringen Mengen angebaut. Die Sorte blüht rosa-violett, ist festkochend und mittelfrüh. Die Pflanzen sind anfällig gegen Schädlinge sowie Pilzbefall und bringen nur geringe Erträge. Die länglichen bis hörnchenförmigen Knollen haben eine dünne, gelbe Haut, gelbes Fleisch und einen nussigen, etwas speckigen Geschmack. Sie eignen sich für Brat- sowie Pellkartoffeln und schmecken gut zu Spargel.
Reichskanzler: entstanden aus der ersten Blütenkreuzung in der Geschichte der Kartoffeln
Reichskanzler wurde von Wilhelm Richter 1885 in Zwickau gezüchtet und entstand als erste Blütenkreuzung in der Geschichte der Kartoffeln. Der Züchter kreuzte die Sorte Dabler mit einem unbekannten Sämling. In den 1930er Jahren war Reichskanzler die im Osteuropa am häufigsten angebaute Sorte. Die späte Sorte blüht weiß-rosa, ist mehligkochend und bringt gute Erträge. Der Anbau ist unkompliziert. Die Knollen haben eine glatte, gelbrosafarbene Schale mit roten Punkten, eine runde bis ovale Form und sind mittelgroß. Das weiße Fleisch schmeckt mild-cremig. Die Knollen sind vielfältig verwendbar.
Hindenburg: Kreuzungspartner für andere Kartoffelsorten
Die Kartoffelsorte Hindenburg wurde von Kartz und Kameke 1926 gezüchtet und entstand aus einer Kreuzung von Jubel und Ismene. Hindenburg wurde als Kreuzungspartner für andere Kartoffelsorten wie Adretta und Ackersegen genutzt. Die Sorte blüht weiß, ist spät, sehr ertragreich, robust, mehligkochend und bringt gute Erträge. Sie ist resistent gegen Kartoffelkrebs und Schorf. Die Knollen sind groß, oval, mit gelber Schale und weißem Fleisch. Sie schmecken fein würzig und eignen sich für Chips, Pommes frites, Salzkartoffeln und Püree.
Ackersegen: große Knolle mit guten Eigenschaften
Ackersegen stammt aus dem Jahr 1929 und wurde von Georg Friedrich Böhme im Odenwald aus den Sorten Hindenburg und Allerfrüheste Gelbe gezüchtet. Die Sorte blüht weiß, ist mittelspät bis spät und bringt gute Erträge. Sie ist robust, bereitet keine Probleme beim Anbau und ist gut lagerfähig. Die großen Knollen haben eine runde bis ovale Form und eine glatte bis genetzte ockergelbe Schale. Sie sind vorwiegend festkochend bis mehligkochend und haben gelbes, fast weißes Fleisch. Der Geschmack ist buttrig und leicht würzig. Die Kartoffeln eignen sich für Salat, Püree, Pellkartoffeln und Salzkartoffeln.
Ostbote: ertragreiche Sorte aus Pommern
Ostbote stammt aus dem Jahr 1933 und wurde von Carl Raddatz im pommerschen Streckenthin gezüchtet. Die Sorte bringt violette Blüten hervor, doch blüht sie selten. Sie ist äußerst ertragreich, robust im Anbau, mehligkochend und mittelspät bis spät. Die Sorte ist robust gegen Kartoffelkrebs und verschiedene Viruserkrankungen. Die Knollen sind mittelgroß, rund bis oval, mit glatter, gelber Haut, gelbem Fleisch und intensivem Kartoffelgeschmack. Sie eignen sich für Pellkartoffeln, Backkartoffeln und Püree.
Vogtländische Blaue: Alter nicht genau bekannt
Das Alter der Vogtländischen Blauen ist nicht genau bekannt. Wahrscheinlich stammt die Sorte aus dem 17. bis 18. Jahrhundert. Sie blüht hellviolett, ist mittelfrüh bis spät und mehligkochend. Die Knollen haben eine runde Form, eine dunkelblaue Schale und weißes Fruchtfleisch. Sie sind klein bis mittelgroß, haben einen feinen, cremigen Geschmack und eignen sich für Salzkartoffeln, Bratkartoffeln und Püree.
Sieglinde: alte deutsche Züchtung
Sieglinde gehört zu den ältesten deutschen Sorten und wurde 1935 gezüchtet. Sie ist früh, blüht weiß und ist festkochend. Die Sorte ist anfällig gegen Kartoffelschorf sowie Krautfäule und bringt mäßige Erträge. Die Knollen sind leicht flach, etwas unförmig, länglich bis oval, mit gelber Haut und gelbem Fleisch. Sie schmecken leicht speckig und feinwürzig und eignen sich für Salat, Pellkartoffeln und Salzkartoffeln.
Linda: wahrscheinlich bekannteste deutsche Kartoffel
Die wahrscheinlich bekannteste deutsche Kartoffel ist Linda, die 1974 gezüchtet wurde. Sie verschwand aufgrund verschiedener Verordnungen fast vom Markt, doch können Sie sie im Garten anbauen. Linda ist festkochend, gut lagerfähig und bringt gute bis sehr gute Erträge. Während der Lagerung geht die Kocheigenschaft zu mehligkochend über. Die Knollen sind ziemlich groß, länglich bis oval, mit glatter, gelber Schale, dunkelgelbem Fruchtfleisch und cremigem, leicht süßlichem Aroma. Sie eignen sich für Pell- und Salzkartoffeln.
Adretta: Ursprung in der ehemaligen DDR
Adretta wurde 1975 erstmals gezüchtet und hat ihren Ursprung in der ehemaligen DDR. Die mittelfrühe Sorte ist äußerst robust, blüht weiß, ist mehligkochend und hervorragend für die Einkellerung geeignet. Die Ernte ist gut. Die mittelgroßen Knollen sind unregelmäßig rund bis oval, haben eine genetzte, ockergelbe Schale, gelbes Fruchtfleisch und einen kräftig würzigen Geschmack. Sie sind universell für Salzkartoffeln, Pellkartoffeln, Suppe, Püree, Pommes frites, Knödel und als Backkartoffeln geeignet.