Chilis haben eine faszinierende Eigenschaft, die sie von anderen Früchten unterscheidet – ihre Schärfe. Es ist ein kleiner Kick, der uns aus der Komfortzone herausholt und dazu bringt, immer wieder neu unsere Grenzen zu testen. Das Essen scharfer Chilis regt nicht nur den Gaumen an, sondern auch die Neugier und das Interesse an neuen kulinarischen Erlebnissen.
In diesem Zusammenhang klingt die Frage „Was ist Schärfe“ zugegebenermaßen vielmehr nach einer philosophischen Frage. Die Empfindung von Chili-Schärfe hat jedoch einen sehr komplexen chemischen Hintergrund.
Schmecken Chilis scharf?
Wir schmecken mit unserer Zunge. Die auf der Zunge befindlichen Sinneszellen sind in sogenannten Geschmacksknospen gruppenweise angeordnet. Diese können verschiedene Geschmacksrichtungen unterschiedlich empfindlich wahrnehmen: süß, salzig, sauer, bitter und umami (nimmt vor allem das Vorhandensein von Glutamat wahr). Für das Wahrnehmen von Schärfe besitzen wir keine Geschmacksrezeptoren und damit ist „scharf“ keine Geschmacksrichtung im eigentlichen Sinne.
Chili Pflanzen haben ein Problem
Um nun zu verstehen, wie die Chili-Schärfe wirkt, schaut man sich am besten den botanischen Hintergrund dieses Paprika spezifischen Inhaltsstoffes an. Die Gattung Capsicum hat ihren Ursprung in Südamerika. Dort wachsen die Wildformen in enger Konkurrenz mit der reichen Tier- und Pflanzenwelt – und haben ein Problem. Einerseits sollen die Früchte leicht zugänglich und auffällig für potenzielle Samenverbreiter aus dem Tierreich sein, auf der anderen Seite müssen die in den Früchten enthaltenen Samen vor der Verdauung geschützt werden.
Darum gibt es Schärfe überhaupt
Die geniale Lösung des Problems ist die Entwicklung der Chili-Schärfe. Die in den Chilis enthaltenen Scharfstoffe schrecken durch das Brennen im Mund Fraß-Feinde vor dem Verzehr ab und haben nebenbei auch eine abwehrende Wirkung gegen Insekten, Pilze und Bakterien.
Wo nehmen wir Chili Schärfe wahr?
Im Mund und auf den Schleimhäuten im Rachen, aber auch im Verdauungstrakt und auf der Haut befinden sich Rezeptoren, die von Scharfstoffen gereizt werden können. Das erklärt, warum wir auch im Magen nach dem Verzehr von scharfen Speisen ein warmes Gefühl verspüren und nach Kontakt mit sehr scharfen Sorten sogar die Haut gerötet sein kann.
Wie nehmen wir Schärfe wahr?
Bei den Rezeptoren handelt es sich um TRPV1-Rezeptor der Gruppe polymodale Nozizeptoren, die für die Wahrnehmung von Hitze und Säure zuständig sind und ein Schmerzgefühl auslösen. Die Rezeptoren werden im Ruhezustand von Phospholipiden blockiert. Scharfstoffe wie Piperin (Pfeffer), Gingerole (Ingwer) und Capsaicin (Paprikagewächse) besitzen einen ähnlichen strukturellen Aufbau wie diese Phospholipide und können die Blockade der Rezeptoren lösen. Dadurch beginnt der Rezeptor einen Reiz weiterzuleiten und unserem Gehirn wird eine Verbrennung vorgetäuscht. Die Schärfe, die beim Verzehr von Chilis empfunden wird, ist also eigentlich gar keine Geschmacksempfindung, sondern ein Hitzereiz und wird im Gehirn in ein Schmerzgefühl übersetzt.
Chilis machen wirklich glücklich
Der Körper reagiert auf die Schärfe wie auf eine Brandverletzung und versucht, diese zu lindern. Die Rezeptoren werden normalerweise durch eine erhöhte Temperatur oder Schädigung der Haut aktiviert. Als Gegenreaktion auf den Hitzereiz, wird die Ausschüttung von körpereigenen Schmerzmitteln, den Endorphinen stimuliert. Diese sogenannten „Glückshormonen“ geben uns zur Beruhigung ein angenehmes Gefühl.
…und lassen unser Herz höher schlagen
Gleichzeitig erhöht sich die Durchblutung, wodurch die Herzfrequenz leicht ansteigt und auch der Stoffwechsel angeregt wird. Das Gewebe erwärmt sich. Dies erklärt, warum auch der Genuss von kalten scharfen Gerichten als „heiß“ empfunden wird. Aber Vorsicht, zu viel Capsaicin kann zu Magenreizung, Schweißausbrüchen, einem vorübergehenden Verlust des Geschmackssinns und in Einzelfällen auch zu Atembeschwerden führen.
Kann man sich an Chili Schärfe gewöhnen?
Die Anzahl der vorhandenen Rezeptoren ist genetisch bedingt und die Stärke der Blockade hängt sehr von der Lebensweise ab. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Empfindung von Chili Schärfe individuell sehr unterschiedlich ist und auch von der Tagesform und der Gewöhnung abhängt. Bis zu einem gewissen Grad kann man sich gegen die Wahrnehmung der Chili Schärfe abhärten.
Und damit ist auch die Frage beantwortet, ob die Chili-Schärfe positive oder negative Effekte hat – Es kommt ganz darauf an, wie viel Sie vertragen. Es ist ein Gefühl, das von jedem auf unterschiedliche Weise wahrgenommen wird.
Und nun zurück zu der Sache mit den Fraß Feinden
Wer verbreitet denn nun die Chili Samen, wenn den Tieren ebenfalls nach Genuss der bunten Schoten der Mund brennt? Die richtige Antwort lautet: Vögel. Kennen diese keinen Schmerz? Oh, doch. Aber Vögel haben mit ca. 42° C eine deutlich höhere Körpertemperatur als Säugetieren mit ca. 37° C. Als Folge sind die Schmerzrezeptoren anders aufgebaut worden. Vögel verspüren dadurch keine Chili-Schärfe und würden jedes Schärfewettessen mit Leichtigkeit gewinnen.
Aber damit nicht genug. Die Samen werden nicht zerkaut und landen unbeschadet im Magen-Darm-Trakt. Durch das andere Säure-Milieu werden die Samen nur aufgeweicht und nicht zersetzt, was die Keimung erleichtert. Sie werden als Ganzes ausgeschieden und durch den mitgelieferten Kot gleich gedüngt. Darüber hinaus sorgt das fliegende Federvieh für eine weite Verbreitung der Samen und stellt auf diese Weise sicher, dass neue Standorte erobert werden können. Genial – nicht wahr?!
Die Chili Schärfe ist nie gleich
Die eine Schärfe gibt es nicht, sie wird durch verschiedene chemische Verbindungen erzeugt. Die einzelnen Scharfstoffe werden als Capsaicinoide bezeichnet. Bis 2010 wurden 33 Scharfstoffe in Chilis nachgewiesen. Je höher die Konzentration, desto schärfer der Chili. Das Schärfeempfinden wird dabei vor allem von 3 Hauptscharfstoffen ausgelöst:
- Mayorcapsaicin (worunter das eigentliche Capsaicin verstanden wird)
- Dihydrocapsaicin
- Nordihydrocapsaicin
Die weiteren Scharfstoffe kommen nur in sehr geringen Mengen vor.
Ein Kaleidoskop der Schärfe
Die prozentuale Zusammensetzung der Capsaicinoide variiert nicht nur nach Sorte und Reifegrad. Auch von Pflanze zu Pflanze und von Frucht zu Frucht kann der Gehalt unterschiedlich ausfallen. Den Beweis liefert die Zubereitung von Pimentos de Padron. Nicht umsonst heißt es bei den beliebten Bratpaprika das Essen ist wie „Russisch Roulette“. Es gibt immer wieder Früchte, die mit unerwarteter Schärfe überraschen.
Die Schärfe bekommt einen Namen – Capsaicin
Die erste Extraktion von einem Capsaicingemisch gelang 1816 dem deutschen Pharmazeuten und Chemiker Christian Buchholz. Er benannte den erhaltenen Scharfstoff Capsicin angelehnt an den botanischen Namen Capsicum für Paprikagewächse, benannt vom berühmten Taxonomen Linné. Mit den Jahren und Übersetzungen in die englische Sprache setzte sich die Bezeichnung „Capsaicin“ durch.
Capsaicin spielt nicht nur eine Rolle in der Küche, sondern auch in der Forschung und der sozialen Interaktion.
Fazit
Schärfe ist also eine faszinierende Eigenschaft und löst ein Gefühl des Schmerzes, gefolgt von Freude aus. Sie fordert unseren Gaumen heraus und regt die Sinne an. Für diejenigen, die gerne neue Geschmackserlebnisse suchen, ist die Welt der Chilis ein endloses Abenteuer. Es gibt eine (fast) grenzenlose Vielfalt an Sorten mit unterschiedlichen Schärfezusammensetzungen, Aromen und Farben. Vom schärfelosen Paprika bis hin zum scharfen Weltrekordhalter Carolina Reaper gibt es für jeden Geschmack und jedes Gericht die passende Sorte. Probieren Sie die verschiedenen Sorten aus, es lohnt sich!