Das Mittelalter war ein Zeitabschnitt, der vorwiegend in Europa als „dunkel Zeit“ beschrieben wird. Doch es gibt auch viele wichtige Erkenntnisse aus dieser Zeit. Dies ist unter anderem das vielfältige Wissen der Verwendung von heilenden Pflanzen. Auch wenn die Heilpflanzen lange Zeit in Vergessenheit gerieten, erleben sie derzeit wieder ein Comeback der besonderen Art. Doch auf welche Erkenntnisse der Kräuterkunde im Mittelaltern kann man noch vertrauen und welche Anwendungen sollte man besser nicht durchführen? Hier gibt es einen kleinen Überblick dazu.
Die Klostermedizin im Mittelalter
Das Wissen zur Heilkunst wie auch zur Krankenpflege war im Mittelalter fast ausschließliche in Klöstern zugänglich. Dies lag hauptsächlich daran, dass nur Mönche und Nonnen lesen und schreiben konnten und so auch die Bücher und das Wissen von diesen überliefert werden konnte. Der Schwerpunkt der Klostermedizin lag bei Heilpflanzen und der Klosterarzt war nicht nur Wundarzt, sondern auch Apotheker. Doch im Laufe der Jahre wurden immer mehr Spezialisten für die einzelnen Aufgaben ausgebildet, sodass der Medicus ab dem 10./11. Jahrhundert als Physicus bezeichnet wurde. Der Klostergarten hingegen wurde vom kräuterkundigen Herbarius betreut, dem dem Pigmentarius, dem Klosterapotheker zuarbeitete.
Im 11. Jahrhundert wurde das medizinische Wissen in Europa durch die arabischsprachige Heilkunde erweitert. Leider wurde die Klostermedizin dann im 12. und 13. Jahrhundert von der Kirche unterbunden. Die Geistlichen durften weder Blut sehen noch operieren und das medizinische Wissen verlagerte sich nach und nach an die Hochschulen, die zu dieser Zeit aufkamen.
Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen (1098 – 1179) kam schon als Kind in ein Benediktiner Frauenkloster, dem Jutta von Sponheim vorstand. Nach ihrem Tod übernahm Hildegard die Leitung und gründete 1136 ihr eigenes Kloster bei Bingen. Hildegard von Bingen hinterließ nach ihrem Tod nicht nur die legendären Visionsbücher, sondern auch zahlreiche Schriften zur Naturkunde und Medizin.
Dabei ist vorrangig ihre Physica eine Heilmittellehre für das Volk. Im Causae et curae beschreibt sie unter anderem die Behandlungsmethoden der antiken Kosmologie in Verbindung mit der Viersäftelehre und christlichen Lehre. Denn gerade die seelische und körperliche Heilung waren für Hildegard von Bingen ein Zusammenspiel. Dabei machte sie keine Unterschiede zwischen pflanzlichen oder tierischen Stoffen sowie zu Mineralien. Bittere Gewürze waren für sie auch hervorragend geeignet, um böse Geister vertreiben zu können.
Insbesondere ihre Tinkturen, Tees und Salben sowie kalte und warme Umschläge sind vielen bekannt, da sie heut immer häufiger Anwendung finden. Hildegard von Bingen verband in ihren Schriften das medizinische Wissen der Antike mit der Volksmedizin. Somit verwendete sie auch volkstümliche Pflanzen mit ihren entsprechenden Namen dazu. Dabei sind hauptsächlich die Ausführungen zur Frauenheilkunde sehr umfassend. Sie empfahl beispielsweise Reynfarn bei Gebärmutterleiden oder Byverwurtz, Raute, Gewürznelken sowie Mutterkraut bei Menstruationsbeschwerden.
Was bleibt übrig von der Kräuterheilkunde aus dem Mittelalter?
Die Lehre der Heilpflanzenkunde war schon im Mittelalter nicht nur auf Heilung ausgerichtet. Die Pflanzen sollten die Menschen auch stärken. Angesichts dessen wurden einige der Heilpflanzen auch in die Zubereitung der Speisen miteinbezogen. Dies ist unter anderem auch bei Fenchel der Fall.
Leider geriet die Kräuterheilkunde immer mehr in Vergessenheit und heute sind noch immer viele der Meinung, dass die moderne Medizin auch ohne Kräutertränke oder Heilpflanzen auskommt. Doch dies ist vollkommen falsch. Denn es ist tatsächlich das Gegenteil der Fall. Denn gerade heute kramen immer mehr Wissenschaftler die alten Schriften und das alte Wissen heraus, um die alten Heilpflanzen zu analysieren. In Zeiten von Resistenzen zahlreicher Krankheiten gegenüber Antibiotika lässt die Forscher zu alten Welten aufbrechen. Doch auch immer mehr Verbraucher besinnen sich mittlerweile auf die überlieferte Kräuterheilkunde, um von den chemisch hergestellten Medikamenten wegzukommen.
Doch auch die Pharmaindustrie setzt noch immer auf Heilpflanzen und bietet eine breite Palette Medikamente an, in denen Heilpflanzen als Inhaltsstoffe vorhanden sind. Allerdings sind nicht nur Heilpflanzen in den Medikamenten, sondern auch ein großer Schuss an Chemie. Und genau das ist das, was viele nicht mehr möchten und deshalb auf die Pflanzenheilkunde setzen.
In der Forschungsgruppe „Klostermedizin“ am Würzburger Institut für Geschichte der Medizin haben sich Ärzte, Chemiker, Pharmazeuten wie auch Philologen zusammengeschlossen, um die Überlieferungen der Klostermedizin in der modernen Medizin anzuwenden. Hier wird nicht nur in den mittelalterlichen „Artzeney-Schriften“ nach unbekannten Pflanzen geforscht, sondern auch die bekannten Pflanzen werden analysiert und nach neuen Methoden der Anwendung gesucht.
Diese Pflanzen waren unter den Top Ten der Heilkräuter im Mittelalter
Es gibt unzählige Heilpflanzen aus dem Mittelalter, die noch heute, vor allem von den Senioren, verwendet werden. Denn gerade diese Altersgruppe hat von den Großeltern und Eltern das Wissen für verschiedene Heilpflanzen übermittelt bekommen. Fragt man heut die Großeltern nach einer Heilpflanze, die bei Husten hilft, wird sofort Thymian, Salbei oder Eibisch genannt. Und genau aus diesem Grund sollte jeder viel öfter auf die älteren Menschen hören. Denn es ist fast für jede Beschwerde ein Kraut gewachsen.
Die Top Ten der Heilpflanzen des Mittelalters sind aber folgende:
- Baldrian (Valeriana officinalis) wirkt schlaffördernd und appetithemmend
- Beinwell (Symphytum officinale) für äußerliche Umschläge optimal geeignet
- Benediktenkraut (Cnicus benedictus) eignet sich für Bittertees und zur Stärkung
- Borretsch (Borago officinalis) hat eine blutreinigende Wirkung
- Fenchel (Foeniculum vulgare) hat einen positiven Effekt für die Verdauungsorgane
- Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) vor allem die Gutationstropfen/Tautropfen wurden als „Himmlisches Wasser“ geschätzt. Außerdem wirkt Frauenmantel entzündungshemmend.
- Johanniskraut (Hypericum perforatum) wirkt stimmungsaufhellend und ist gut für die Seele
- Knoblauch (Allium sativum) hat eine antiseptische und blutdrucksenkende Wirkung
- Ringelblume (Calendula officinalis) ist für die Wundheilung als Salbe hervorragend geeignet
- Salbei (Salvia officinalis) galt als Allheilmittel für vielerlei Beschwerden
Diese Heilkräuter aus dem Mittelalter sind mit Vorsicht zu genießen
Natürlich gibt es auch Heilpflanzen, die mit Vorsicht zu genießen sind. Denn auch bei Kräutern gilt, dass die Dosis das Gift macht. In Pflanzen sind nicht immer nur positive Inhaltsstoffe vorhanden. Auch Substanzen, die negativ auf den Körper wirken, sind in Heilpflanzen vorhanden. Sie können unter anderem die Leber schädigen, weshalb sie beispielsweise nur zur äußerlichen Anwendung geeignet sind. Auch wenn einige Pflanzen mittlerweile so gezüchtet werden, dass sie frei von den sogenannten Pyrrolizidinalkaloiden sind, wird es noch dauern, bis sie auch innerlich verwendet werden können. Aus diesem Grund sollte folgende Heilpflanzen nur mit besonderer Vorsicht genutzt werden:
- Beinwell (Symphytum)
- Borretsch (Borago officinalis)
- Huflattich (Tussilago farfara)
- Pestwurz (Petasites hybridus L.)
- Wasserdost (Eupatorium cannabinum)
Beinwell
Beinwell war im Mittelalter eines der wirksamsten und stärksten Heilkräuter schlechthin. Paracelsus hat den Verwandten des Borretschs ausgezeichnete Erfolge bei Knochenbrüchen und Wunden erzielt. Allerdings stehen Beinwell und Borretsch auch im Verdacht, die Leber zu schädigen.
Borretsch
Borretsch hingegen war in dieser Zeit ein wichtiges Mittel gegen Fieber und zur Reinigung der Leber. Auch bei Husten soll Borretsch wahre Wunder bewirkt haben. In Kombination mit Honig war die Heilpflanze ein hervorragendes Mundwasser und auch bei roten Augen wurde Borretschwasser damals empfohlen. Allerdings enthält die Heilpflanze Alkaloide, die die Leber schädigen, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. Daher sollte Borretsch nur noch zur äußerlichen Anwendung genutzt werden.
Huflattich
Huflattich war das Heilmittel Nummer eins bei Bronchitis, Husten, Heiserkeit und Erkältungen im Allgemeinen. Die Übersetzung des botanischen Namens bedeutet „Ich vertreibe den Husten“. Plinius hingegen war davon überzeugt, dass Huflattich besonders hilfreich ist, wenn er geraucht wird. Daher kommt wohl auch der veraltete Name „Tabakkraut“. Allerdings wird natürlich heute davon abgeraten, da Rauchen bei Husten nicht gerade die beste Heilmethode ist. Durch die enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide sollte Huflattich auch nicht länger als einen Monat eingenommen werden, um Leberschäden zu vermeiden. Trotz der Alkaloide wurde Huflattich im Jahr 1994 zur Heilpflanze des Jahres gekürt.
Pestwurz
Wie der Name schon sagt, wurde Pestwurz bei Pest eingesetzt. Die Wurzel hat eine schweißtreibende Wirkung hat, sollte im Mittelalter die Krankheit durch eine Schwitzkur vertreiben. Allerdings war dies nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Allerdings hat Pestwurz auch den Ruf, einen schmerzlindernden Effekt zu haben. Zudem hat Pestwurz einen harntreibenden Effekt und soll wundheilend und hautreinigend sein. Auch Fallsucht wurde damit behandelt. Durch die Pyrrolizidinalkaloide ist aber auch diese Heilpflanze aus dem Mittelalter mit Vorsicht zu genießen.
Wasserdost
Der Wasserdost wurde in Kräuterbüchern des Mittelalters als Tee zur Blutreinigung angewendet. Des Weiteren sollte der Tee leberstärkend und gallentreibend wirken. Davon ist man aber abgekommen, da auch hier Pyrrolizidinalkaloide enthalten sind, die die Leber eher schädigen als stärken. Doch nicht nur als Heilpflanze wurde der Wasserdost verwendet. Die frischen Blätter wurden auf angeschnittenes Brot gelegt, um Schimmel zu vermeiden. Zudem wurden Felle und Pelze mit dem Wasserdostsaft eingerieben, um Motten fernzuhalten.
Die Pflanzenheilkunde aus dem Mittelalter hat aber nicht nur gefährliche Seiten. Die Vorteile und positiven Wirkungen überwiegen deutlich. Dennoch sollte natürlich jede Erkrankung mit dem Arzt Ihres Vertrauens abgeklärt werden. Als zusätzliche Therapie oder bei kleinen Beschwerden sind Heilkräuter aber immer eine Bereicherung, weshalb sie im Garten oder auf dem Balkon nicht fehlen dürfen. Außerdem sollten wir viel öfter auf das Wissen unserer Großeltern vertrauen.
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Kräuterkunde. Gut zu wissen, dass Kräuter bereits im Mittelalter sehr beliebt waren. Ich suche aktuell nach pflanzlichen Heilmitteln.
Oh, da gibt es viele. Schön, wenn man die Kräuter dafür auch im Garten oder auf dem Balkon hat. Vieles kann man leicht selbst herstellen.