Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass vor allem in den Obst- und Gemüseabteilungen der Supermärkte immer wieder dieselben Sorten angepriesen werden? Ausgefallenes Obst und Gemüse dagegen ist rar und bekommt man – nur mit Glück – beim Bauern oder auf dem Wochenmarkt. Das liegt daran, dass Saatgut immer mehr privatisiert wird. Möglich machen das Patente, mit denen ein Konzern das Recht hat, weitere Sorten zu entwickeln. Gegen diese Privatisierung regt sich seit einigen Jahren Widerstand. Das Resultat ist eine Open Source Saatgut Lizenz, die Saatgut als Gemeingut schützt.
Was bedeutet Gemeingut?
Ein Gemeingut ist erst einmal eine Ressource, die von jedem frei genutzt werden kann. Beispiele sind etwa die Sprache, der Grund und Boden, die Erdatmosphäre oder das Wasservorkommen. Moment … war da nicht mal etwas mit der Privatisierung von Wasser? Richtig! Von der damit verbundenen Ausbeutung der Wasserressourcen durch Großkonzerne haben Sie bestimmt schon etwas gehört. Ähnlich ist es beim Saatgut. Denn auch hier schreitet die Privatisierung weiter voran.
Wie aber kann es sein, dass ein Gemeingut plötzlich privatisiert wird? Nun, das liegt daran, dass in gewissen Bereichen die Politik entscheidet, was der Allgemeinheit zur Verfügung steht und was von Privatanbietern kommerziell vertrieben werden darf. So ist das beispielsweise beim Wasser, aber eben auch beim Saatgut.
Privatisiertes Saatgut
Sie können also davon ausgehen, dass die Obst- und Gemüsesorten, die Sie in den Supermärkten finden, großen Staatsgutkonzernen der Welt gehören. Die zehn größten davon haben mehr als 75 % des kommerziellen Saatgutes inne. Allein den drei Konzernen Monsanto (heute Bayer), Syngenta und DuPont gehören heute mehr als 50 % des Saatgutes auf der ganzen Welt.
Da die Konzerne wissen, dass Bauern mit eigenem Saatgut neue Züchtungen hervorbringen können, tun sie es ihnen gleich und bringen immer schönere, größere und vermeintlich bessere Sorten heraus. So laufen die Konzerne den kleinen Landwirten den Rang ab, da sie Sorten weitaus günstiger anbieten können. Für die Landwirte lohnt es sich somit nicht mehr, Neues zu entwickeln. Das Ergebnis: Die Sortenvielfalt nimmt immer mehr ab. Auf den Markt kommt nur das, was die Großkonzerne liefern, der Verbraucher muss das nehmen, was ihm vorgesetzt wird.
Open Source Saatgut schafft Abhilfe
Im Jahr 2012 wurde in den USA der Grundstein für die Open Source Saatgut Lizenzen gelegt. Damals schlossen sich Züchter, Farmer und Saatgutfirmen zusammen und gründeten die OpenSourceSeedInitiative, kurz OSSI. In den Statuten heißt es dort, dass sich jeder verpflichtet, auf Patente und Sortenschutz bei der Nutzung von Saatgut zu verzichten.
Bei uns in Deutschland gibt es quasi einen Ableger dieser Initiative: 2016 gründete sich Open Source Seeds, die allerdings noch einen Schritt weiter geht, als die amerikanischen Kollegen. Denn mit der Open Source Saatgut Lizenz wird erzeugtes Saatgut dauerhaft gemeinnützig und vor Privatisierung geschützt. Im Einzelnen heißt das:
- Jeder darf das Saatgut nutzen.
- Das Saatgut und auch die Weiterentwicklungen desselben dürfen nicht privatisiert werden.
- Die Rechte und Pflichten werden auch auf zukünftige Empfänger übertragen.
Open Source – jeder kann Saatgut lizenzieren
Wer Saatgut als Gemeingut lizenzieren lassen möchte, muss lediglich eine Bedingung erfüllen: Die Sorte darf noch nicht beschrieben sein. Es kann sich somit um eine Neuzüchtung handeln, aber auch um alte Sorten, die weiterentwickelt werden. Kosten für die Lizenz entstehen dabei nicht, die Open Source Lizenz nimmt die Position eines Patents ein. Wird das Saatgut weitergegeben, muss der Empfänger über die Rechte und Pflichten der Open Source Lizenz informiert werden.
Wo kann man Open Source Saatgut erwerben?
Auf der Website von Open Source Seeds ist eine Liste zu finden, in der die vorhandenen Sorten aufgelistet sind. Dazu gehören unter anderem Paprika, Tomaten, Weizen, Mais und Kartoffeln. Die einzelnen Sorten sind dann entweder über den Züchter oder die dort angegebenen Vertriebsstellen zu erwerben.
Open Source Saatgut ist nicht nur wichtig, um Obst- und Gemüsesorten wieder vielfältiger zu machen, sondern ermöglicht es allen, Pflanzen, die eigentlich zum Gemeingut gehören, wieder vollumfänglich zu nutzen.